Büdinger Kirchen

Die St.-Remigius-Kirche
Remigius von Reims (ca. 436-533) wurde durch die Taufe des Merowingerkönigs Chlodwig I. bekannt und ist einer der großen Heiligen des fränkischen Volkes. Da Remigius als Kirchenpatron in nachfränkischer Zeit praktisch nicht mehr vorkommt, kann man beim alten Büdingen von einer fränkischen Gründung ausgehen, wofür auch die Namensform mit dem Suffix -ingen spricht.
Urkundlich erwähnt wird die Kirche erstmals 1265, doch ist die Errichtung des Westbaus in salischer Zeit um 1050 durch dendrochronologische Befunde gesichert. Nach der Vollendung der Marienkirche 1491 wurden die Sakramente dorthin übertragen, 1495 ging auch das Taufsakrament auf die Marienkirche über. Die St.-Remigius-Kirche wird seither als Friedhofskirche genutzt.

„Zu Beginn des 8. Jahrhunderts errichtete ein fränkischer Grundherr in Anlehnung an seinen Herrenhof eine hölzerne Eigenkirche, die er keinem geringeren als dem merowingisch-fränkischen Nationalheiligen Remigius weihen ließ…
Im 9. Jahrhundert wurde das Gotteshaus durch einen saalartigen Steinbau ersetzt, dem man zu Beginn des 11. Jahrhunderts ein Westquerhaus vielleicht in der Art eines Paradieses vorlegte. Um 1050 wurden beide Baukörper zur heutigen Höhe aufgestockt, ältere Fenster und Portale vermauert und im Westteil eine Treppe eingebaut. Westquerhaus und Langhaus trennte man durch eine auf mächtigen Säulen ruhende Scheidwand.
Beachtenswert sind die beiden erhalten gebliebenen Würfelkapitelle mit ihren Basen und Kämpferplatten, die in ihrer klaren Formensprache denen vom Münster in Essen und der Michaelskirche zu Hildesheim in nichts nachstehen. Im 14. Jahrhundert, nachdem die Kirche dem ysenburgischen Hauskloster Marienborn inkorporiert worden war, ersetzte man die halbrunde Apsis im Osten durch einen Rechteckchor. Die T-förmige Gesamtanlage des Kirchenbaus entspricht, wie es scheint, einem besonderen Bautyp der ottonischen Zeit des ausgehenden 10. Jahrhunderts.
Bemerkenswert sind die Fugenschnitte im aufgehenden Mauerwerk, die aus den Putzflächen ausgespart wurden, die zehn beispiellosen Kreisfenster mit ihren Verriegelungsvorrichtungen, leider zum Teil vermauert, und die Wandmalereien aus spätgotischer Zeit.“
Hans-Velten Heuson, 1983

 

Die Marienkirche

Holzkirche
1367 wird innerhalb der Stadtmauern eine Holzkirche erwähnt, die Heinrich von Ysenburg wieder herstellen ließ. Sie dürfte auf einen Gründungsversuch des Ordens der Wilhelmiten zurückgehen.

Spätgotische Hallenkirche
1491 wurde das Gotteshaus geweiht und vier Jahre danach wurde das Taufsakrament von der St.-Remigius-Kirche in die Marienkirche übertragen.
Als Residenzkirche sollte sie die gewachsene Reputation des Grafenhauses demonstrieren. So zeigen die Wappenreihen an den Schnittpunkten der Gewölberippen in Chor und Schiff die Ahnenfolge des Grafen Ludwig II. und seiner Gemahlin Maria Gräfin von Nassau.
Mit der Restaurierung von 1956 wurde das große Fresko über dem Triumphbogen (Darstellung des Jüngsten Gerichts), die Bauinschriften und die Wappen Ysenburg und Nassau freigelegt.
Im Chor, der vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts als Grablege der Ysenburger Grafen diente, erhebt sich das prächtige Renaissance-Epitaph für Anton Graf zu Ysenburg und seine Gemahlin Elisabeth Gräfin zu Wied, geschaffen 1563 von dem Büdinger Bildhauer Caspar Walrab.
Sehenswert sind das spätgotische Kruzifix auf dem Altar, die barocke Sandsteinkanzel von 1745 und der ursprünglich gotische Taufstein. Der Turm wurde beim spätgotischen Umbau wegen der Nähe zum Schloss wohl bewusst niedrig gehalten. Die barocke Haube erhielt er erst 1776.
Seit 1817 dient die Marienkirche den beiden unierten Konfessionen als evangelisches Gotteshaus.

Basilika
1377 wurde der Fachwerkbau durch eine steinerne Pfeilerbasilika mit Nordturm ersetzt. Ursache für die ungewöhnliche Nord-Süd-Ausrichtung des Gebäudes war die dichte Bebauung der Altstadt. Der unsichere Kirchgang zur Remigiuskirche blieb den Einwohnern jetzt erspart.
Erhalten sind das jetzige Untergeschoss des Turms, das (darin vermauerte) Eingangsportal mit Wappen und Namen der Erbauer, Johann von Ysenburg und Gattin Sophie von Wertheim. Die Familie hat die Basilika deutlich gefördert, denn sie besaß hier das Patronatsrecht.

Reformation und Calvinismus
1543 wurde die Reformation Luthers offiziell in Büdingen eingeführt. 1556 wurde zwischen Turm und Kirchenraum die „Neue Schule“ als Lateinschule eingefügt.
1601 wurde die Stadt unter Graf Wolfgang Ernst I. calvinistisch. Von der spätgotischen Ausstattung, fünf Altären, Sakramentshaus, „Heiligem Grab“ und Orgel blieb nichts erhalten. Er ließ 1602 auch den alten Annenchor im Süden niederlegen und hier das Konsistorium (Presbyterium) mit seinen geschweiften Renaissance-Giebeln errichten.
Nach Texten von Margot Manz und Dr. Klaus-Peter Decker.

Die Marienkirche vor 1914Die Marienkirche vor 1914

Die St.-Nikolaus-Kapelle
Diese Kapelle, als Filial der St.-Remigius-Kirche, wird 1341 erstmals urkundlich erwähnt. Belege über Erneuerungsarbeiten um 1500 sind überliefert. Infolge der Reformation wurde sie in einen Wohnbau umgewandelt und um einem unterkellerten Quertrakt erweitert. Der Kellereingang dieses Baus und seine Schwelle zwischen zwei Kellerräumen tragen die Jahreszahl 1560. Nach 1601 dienten die Gebäude als Pfarrhaus für einen der zwei neuen calvinistischen Pfarrer.
Schon 1769 gab es in Büdingen eine lutherische Gemeinde, die ihre Gottesdienste in der Schlosskapelle abhalten durfte. Die St.-Nikolaus-Kapelle wurde bis zum Bau der evangelisch-lutherischen Kirche als „Lutherisch Schulhaus“ genutzt.
1817 vereinigten sich in Büdingen die Lutheraner und Reformierten zu einer evangelischen Gemeinde. Die Kapelle diente als drittes Pfarrhaus und als Wohnung des Lehrers Georg Thudichum.
Reste des gotischen Mauerwerks und der Umbauten vom 16. bis zum 19. Jahrhundert sind bis heute erhalten. Die Gebäude liegen im Hofbereich des Luckischen Hauses (Schlossgasse 13).
Nach einem Text von Dr. Klaus-Peter Decker, Büd. Geschichtsblätter 1988

Die evangelisch-lutherische Kirche
1770 erhielt die lutherische Gemeinde vom Grafen Ludwig Casimir zu Ysenburg ein Grundstück in der Schlossgasse zum Bau einer Kirche geschenkt.
1774 wurde die Lutherische Kirche geweiht. Es war eine rechteckige, zweigeschossige Saalkirche mit einem Kanzelaltar. Als Glockenturm diente der noch erhaltene Dachreiter.
Nach der Vereinigung zur evangelischen Gemeinde fanden Gottesdienste abwechselnd in der Marien- und der Lutherischen Kirche statt. Nach 1829 diente das Gebäude als Gymnasium, dazu wurden an Stelle des Haupteingangs zwei Eingänge gebaut und der Grundriss angepasst. Die Schulglocke hängt heute im Heuson-Museum. 1879 bis 1994 war es Amtsgericht. Dafür wurde die alte Eingangssituation wieder hergestellt. Heute ist es in Privatbesitz.
Nach einem Text von Siegfried Weiß, Büd. Geschichtsblätter 1984

Scheibenkreuzgrabsteine
Auf mittelalterlichen Friedhöfen war eine dauerhafte Markierung von Grabstellen oft nicht vorhanden oder sie bestand aus Holz und war damit zeitlich begrenzt. Selten wurden Scheibenkreuzgrabsteine als Grabmarkierung benutzt. Diese Sitte war in weiten Teilen Europas verbreitet.
In Hessen wurden bisher 37 Exemplare gefunden, die in das 12.-16. Jahrhundert gehören. Elf stammen aus Büdingen und befinden sich im Museum sowie im Schloss. Bei allen hier gezeigten Exemplaren fehlen Schaft und Fuß.

Siehe auch: Juliane Azzola, Friedrich Karl Azzola, Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen, Verlag Neumeister, 1972
Friedrich Karl Azzola, Weitere mittelalterliche Scheibenkreuzgrabsteine der Wetterau, Wetterauer Geschichtsblätter, Band 18 (1969), S. 83–85.